Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie für Jugendliche

Zunächst einige Beispiele:

Ein Fünfzehnjähriger fühlt sich von Gleichaltrigen ausgeschlossen, meidet immer häufiger die Schule, beschäftigt sich oft bis in die Nacht hinein mit dem Internet, leidet unter der Trennung seiner hoch zerstrittenen Eltern und verletzt sich oft lebensgefährlich im freiwillig gewählten Freizeitsport.

Eine Sechzehnjährige ist seit einem Jahr fast nur noch mit ihrer Körperpflege beschäftigt, meidet Bus und Bahn, benutzt in der Schule (heimlich) Händedesinfektionsmittel, isoliert sich in ihrer Freizeit.

Ein Siebzehnjähriger erlebt sich selbst nach einem unverschuldeten Unfall als besonders schreckhaft, schläft nachts nur wenige Stunden durch, ist oft mit Erinnerungen an den Unfall beschäftigt, kann sich kaum konzentrieren.

Solche und andere Beispiele aus dem Leben von Jugendlichen können Anlass für eine Psychotherapie bieten. 

Im geschützten Raum (Schweigepflicht!) können Belastungen dargestellt, unbewusste Konflikte besprochen, gedeutet und interpretiert werden. Das Ziel der Psychotherapie ist es, einem/einer Jugendlichen einen Zugang zu passenden psychischen Verarbeitungsmöglichkeiten von Belastungen, Ängsten und Konflikten anzubieten. In Absprache werden Eltern, bedeutsame Bezugspersonen einbezogen.

Probleme mit der Elternbindung

Symptome wie depressive Verstimmungen treten auf, wenn das Verhalten des Jugendlichen durch innere, unbewusste Konflikte beeinträchtigt wird. Diese Symptome beruhen demnach zumeist auf Erfahrungen in der Kindheit oder Jugend, unter anderem was die Bindung an die Eltern angeht. Als Ursache für psychische Erkrankungen gelten in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie (TP) auch Vernachlässigung emotionaler Art in der Kindheit, Missbrauch, Gewalt und andere ungünstige Lebensbedingungen.

Therapie fokussiert Konflikte aus dem Alltag

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei Jugendlichen ist eher fokussiert auf Konflikte, die im Alltag obenauf liegen und Schwierigkeiten machen. Im Dialog wird zwischen Patient und Therapeut ein tieferes Verständnis für die Probleme erlangt.

Therapeut gibt konkrete Ratschläge

Im Gegensatz zur Psychoanalyse bewertet der Therapeut auch einmal Situationen und gibt den Jugendlichen konkrete Ratschläge. Die Probleme werden strukturierter angegangen und es wird verstärkt nach Ressourcen Ausschau gehalten, die den Patienten stützen können, also Dinge und Verhaltensmuster, die ihm gut tun und helfen. Auch werden Prioritäten bei der Bearbeitung von psychischen Problemen gesetzt und einzelne Teilaspekte der Persönlichkeit stehen im Fokus der Behandlung.

Bewusstmachen von Konflikten und Gefühlen

Hat ein Patient beispielsweise einen starken Selbstwertkonflikt und ein starkes Kontrollbedürfnis, was immer wieder zu psychischen Problemen führt, so wird besprochen, welcher Aspekt vordergründig behandelt werden soll. Der Therapeut muss darauf achten, dass sich beide im Verlauf der Therapie immer wieder auf das jeweilige Behandlungsziel zurückbesinnen. Dennoch gehe es wie bei einer Psychoanalyse um das Bewusstmachen von unbewussten und verdrängten Konflikten und Gefühlen, beispielsweise Verlustängsten. Thema ist häufig auch, zu lernen, sich in andere Menschen hinein zu versetzen (Blickwinkelwechsel) und dementsprechend sein Verhalten zu verändern.

Wirksamkeit bei Depressionen

Vor allem die Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen gilt als wissenschaftlich abgesichert, was die Wirksamkeit einer tiefenpsychologisch orientierten Therapie bis zu 80 Stunden betrifft.

Wenn Medikamente nötig sind zum Hausarzt

Schwere Depressionen sollten laut Leitlinien der Fachgesellschaften mit einer Kombination aus Antidepressiva und Psychotherapie behandelt werden. Da reine Psychotherapeuten keine Psychopharmaka verordnen, müssen die Therapeuten dafür sorgen, dass Patienten entsprechende Medikamente etwa von ihrem Hausarzt oder einem Psychiater verschrieben bekommen.

Therapeutisches Vorgehen bei strukturellen Störungen

Die Krankheitsentstehung ist so zu verstehen, dass die Ich-Funktionen und die Selbstregulationsmechanismen des Jugendlichen primär wenig entwickelt oder gar so mangelhaft sind, dass sie den aktuellen Beanspruchungen und Konflikten im Leben des Jugendlichen nicht gewachsen und unter der aktuellen Belastung möglicherweise dekompensiert sind. Hier ist das erste Ziel der TP die Herstellung einer guten Beziehung (tragfähiges Arbeitsbündnis) zwischen dem Jugendlichen und dem Therapeuten. Auch die äußeren Rahmenbedingungen (das Setting) müssen dem Jugendlichen eine stabile, zuverlässig verfügbare Struktur geben, die ihm von außen jenen Halt gibt, der ihm in seinem Inneren fehlt. Jugendliche mit diesen Störungen haben in der Regel schon früh in ihrem Leben unsichere Bindungserfahrungen gemacht. Sie sind daher verbal oft kaum erreichbar, so dass in solchen Fällen die Haltung und das Verhalten des Therapeuten (z.B. Verlässlichkeit, Festigkeit, Wohlwollen, Aushalten von negativen Affekten) für die therapeutische Wirkung wichtiger sind als die (gedanklichen) Inhalte des Gespräches. Damit dient der Therapeut als lebendiges Modell, an dem der Jugendliche lernen kann. Der Therapeut veranschaulicht, wie man mit interpersonellen Situationen und Herausforderungen (die der Jugendliche innerhalb der therapeutischen Sitzung wiederholt mitbringt) anders umgehen kann, als der Jugendliche es bisher kannte. Damit kann er leichter seine bisherige dysfunktionale Symptomatik aufgeben und kann sich zunehmend im Hier und Jetzt kontrollieren, was gleichzeitig sein Gefühl der Selbstwirksamkeit fördert. Neue, korrigierende Erfahrungen werden damit ermöglicht und adaptiert für eine künftige eigenständige Weiterentwicklung.


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